Wilhelm Reich war Psychoanalytiker, Erfinder, Naturforscher und Sexualagitator - für die einen eine tragische Figur, für andere ein Pionier der modernen Gesellschaft. Ein Schüler hat den Meister in einer ehrlichen Biographie verewigt; über die Reich-Biographie "Der heilige Zorn des Lebendigen" von Myron Sharaf
War es Spott? War es Unbehagen? Oder war es Angst vor einer gefährlichen Herausforderung, die Sigmund Freud die Feder führte, als er 1928 der Analytikerin Lou Andreas-Salomé ein paar ironisch-herablassende Zeilen über einen Schüler schrieb. "Wir haben hier einen Dr. Reich, einen braven aber impetuösen jungen passionierten Steckenpferdreiter, der jetzt im genitalen Orgasmus das Gegengift jeder Neurose verehrt", berichtete der Begründer der Psychoanalyse jener Frau, zu der Friedrich Nietzsche einst ein libidinöses Verhältnis pflegte.
Hatte Freud, als er noch jung war, nicht selbst die Sexualität zum Grundpfeiler seiner Lehre gemacht? Und hatte Wilhelm Reich Freud nicht wiederholt mit seinen Arbeiten beeindruckt? Warum nun dieser Hohn?
Reichs Kernthese war schlicht, aber erregend: Der Orgasmus ist das Fundament seelischer Gesundheit, die Angst vor der Lust Auslöser psychischer und somatischer Erkrankungen. Und das war erst der Auftakt.
Bald sollte sich Reich auf diesem Steckenpferd zu einem Parforceritt durch Psychoanalyse, Soziologie, Biologie und Physik aufschwingen, der ihn bis heute für die einen zur tragisch-albernen Figur macht, für die anderen zu einem Pionier, der die moderne Gesellschaft beeinflußte, ohne, daß sie es recht bemerkte. Ob in den freundlichen Lebenshilfen von Erich Fromm, den Erziehungsexperimenten Alexander S. Neills oder der Psychoanaylsekritik von Gilles Deleuze und Felix Guttari, überall finden sich seine Hufspuren. Er ritt durch die Romane Norman Mailers und Saul Bellows, durch die Literaturkritik Klaus Theleweits. Er legte den Grundstein für die Bioenergetik, die Gestalt- und Urschreitherapie und war der reitende Bote der sexuellen Befreiung 1968.
Nun ist er zurückgekehrt. In Berlin behandeln Ärzte und körperorientierte Therapeuten ihre Patienten frei nach Reich. In Worpswede werden Orgonakkumulatoren nachgebaut, jene metallausgekleideten Kästen, die Reich konstruierte, die kosmische Energie aufzufangen. Der Zweitausendeins Versand verkauft die Bauanleitungen.
Wer aber war dieser Wilhelm Reich, der Wien verließ, Berlin verlassen mußte und aus Norwegen verstoßen wurde? Wer war dieser Wissenschaftler, dessen Schriften auf Geheiß des Richters in den USA verbrannt wurden und der, eingesperrt wegen Quacksalberei, am 3. November 1957 in einem Gefängnis in Pennsylvania starb?
Zehn Jahre arbeitete der amerikanische Psychotherapeut Myron Sharaf an einer Biographie über Wilhelm Reich, die nun in deutscher Übersetzung vorliegt. Er verfolgte ihn Schritt für Schritt auf seiner ruhelosen Jagd nach jener Energie, die Freud einst Libido genannt hatte und Reich zuerst orgastisch, dann vegetativ, bald bioelektrisch und zuletzt orgonotisch. So schrieb Sharaf eine antike Tragödie vom schicksalhaften Untergang eines Wissenschaftlers, der versuchte, Erotik zu messen. Denn Reich, und das wurde sein Verhängnis, begnügte sich nicht mit philosophischen Floskeln. Er suchte die physikalische Kraft, aus der die Liebe ist.
Sharaf studierte Reichs Arbeiten, befragte Freunde und Feinde, Kollegen und Konkurrenten, Ehefrauen und Geliebte. Und nicht zuletzt sich selbst. Denn Sharaf war als junger Mann beflissener Laborant bei Reichs Experimenten und eifriger Protokollant seiner Ausführungen. Er verehrte den Meister. Seine Frau schlief mit dem Meister. Und trotz aller Verletzungen blieb Sharaf in Reichs Bann. Fasziniert von so viel Genie, staunend vor so viel Rücksichtslosigkeit, abgestoßen von so viel Eitelkeit, schrieb Sharaf eine respektvolle und gleichzeitig schonungslose Biographie, in der nur eines nicht vorkommt: Ernüchterung.
Myron Sharaf ist Freudianer. Und so beginnt auch Reichs Schicksal bei Ödipus. Aus Erinnerungen von Verwandten und einer anonymen Selbstanalyse, die Reich 1920 in einem obskuren Journal veröffentlichte, rekonstruiert Sharaf die Kindheit auf dem Gut in damals noch österreichisch-ungarischen Bukowina: Da ist das kinderliebe Hausmädchen, das den Knaben mit unter die Bettdecke schlüpfen läßt, da ist auch der herrschsüchtige Vater und die geliebte, viel jüngere Mutter, die in das Schlafzimmer des Hauslehrers schlich. "Dann, als Mutter aus dem Schlafzimmer trat mit geröteten Wangen und irrem unsteten Blick, da wußte ich", schreibt Reich, "jetzt war es geschehen. Der zwölfjährige lauschte, manchmal die ganze Nacht, war eifersüchtig und verriet den Ehebruch am Eßtisch. Der Lehrer wurde vom Hof gejagt, die Mutter vergiftete sich, und der Vater verstarb darüber.
Es folgten Weltkrieg, Verlust der Ländereien, das durch die Arbeit des jüngeren Bruders finanzierte Medizinstudium in Wien, die Begegnung mit Freud, der, offensichtlich angetan, bereits dem Medizinstudenten gestattete, als Analytiker zu arbeiten. Zeitzeugen beschreiben einen vitalen, rüden Enthusiasten, der dien anderen dominierte. "nach mir komme ich", erinnerte sich eine Kommilitonin an den Freudschen Versprecher Reichs vor dem Auditorium. Er ließ sich beköstigen, ließ sich aushalten, und immer, im Studium oder beim Skifahren, mußte Reich der beste sein. Sein Charme glühte stärker als seine Akne und erlaubte Eroberungen. Seine Geliebte starb an einer Abtreibung. Für den sterbenden Bruder hatte er keine Zeit. Auf allen trampelte er herum, und alle bewunderten ihn. Mit der Monographie "Der Triebhafte Charakter" fand Reich 1925 endlich Freuds ganze Anerkennung. Der triebhafte Charakter aber, "dessen ganze libidinöse Organisation durch Schuldgefühl zerrissen ist", der "frühe Freizügigkeit und traumatische Frustration" herausläßt und in ungezügelten Exzessen, Wutanfällen und schöpferischer Kraft, ist kein anderer als der Wilhelm Reich, den Sharaf beschreibt.
Um diesen Wüterich herum wabert die Wiener Szene: ein zänkischer, rivalisierender Ringelreihen, einer liegt beim anderen auf der Couch. Oder zumindest dessen Ehefrau, deren Geständnisse den Analytiker für den nächsten Schlag gegen den Kontrahenten munitionieren. Reich flieht aus den Salons heraus auf die Straße. Man findet ihn unter diskutierenden Kommunisten, auf Demonstrationen und bei bewaffneten Aufmärschen der Arbeiterklasse.
Doch bald erkannte der Freud-Schüler das eigentliche politische Problem in der Charakterstruktur der Massen, ihrer Angst vor der Freiheit und Lust. So erhob er den Unterleib zum politischen Programm. Im Januar 1929 machten in Wien seine Sexualhygienischen Beratungsstellen für Arbeiter Schlagzeilen. Auslandskorrespondenten berichteten über einen "exzellenten, kraftvollen" Agitator. Aus einer neuen Liebesbeziehung zu einer intellektuell reizvollen Genossin, Erzieherin in einem Montessori-Kindergarten, reifte sein Werk über den Orgasmus.
Allein Freud reagierte kühl auf die These seines Kronprinzen, daß Sozialismus und Sex glücklich machten. "Daß der Mensch glücklich sei, ist im Plan der Schöpfung nicht enthalten", schrieb der Altmeister in "Das Unbehagen in der Kultur".
Reich wechselte an die "Sexfront" der KPD in Berlin und zog immerhin 20 000 Genossen in seinen Deutschen Reichsverband für proletarische Sexualpolitik. Als er aber 1933 seine "Massenpsychologie des Faschismus" veröffentlichte - dreißig Jahre vor Adornos Studien zum autoritären Charakter -, war der Bruch mit der KPD nicht mehr zu kitten. Psychologische Erklärungen für einen Sieg Hitlers, das war Klassenverrat.
Reich floh vor den Nazis nach Norwegen. Dort suchte er nun im Labor nach der Natur der Lust und der Angst, saugte gierig neues Wissen auf. Bei Ludwig Robert Müller fand er das vegetative Nervensystem beschrieben, das Herz, Kreislauf, Verdauung und Atmung auf Gefahr reagieren läßt und die Sexualorgane auf Entwarnung. Gleich untersuchte er die Rolle dieser von Müller "sympathisch" und "parasympathisch" genannten Reaktion in der neurotischen Erkrankung. Und er kam bald dem nahe, was man heute Bio-Feedback nennt, bei dem Patienten durch Gedankenkonditionierungen von Ängsten befreit werden. Kaum hatte er bei dem Internisten Friedrich Kraus gefunden, daß Kolloide und Mineralsalze als Elektrolyte funktionieren und der Organismus als relais-artiges Schaltsystem von elektrischer Ladung und Entladung vorstellbar war, da verkabelte Reich schon ein Liebespaar. Er selbst war nun wie elektrisiert, fand seine Energieströme auch bei Max Hartmann wieder, der beobachtet hatte, daß Einzeller von elektrischen Reizen angezogen oder abgestoßen wurden und diese Reaktion begleitet war von Flüssigkeitsströmungen in der Zelle. Also beugte sich Reich übers Mikroskop.
Sharaf läßt den Leser mit durch die Linse sehen, mit Elektroden hantieren, und Reichs kindliche Neugier wirkt ansteckend. Mal scheint es faszinierend, mal alchimistisch abwegig. In Zeitrafferaufnahmen entdeckt Reich unter 4000facher Vergrößerung kleine Bläschen, die sich vom toten Gras lösen. Er glaubt, ein Übergangsstadium von toter zu lebendiger Materie zu erkennen und nennt sie Bione. Ein Prozeß, den die Biologen seit Pasteur auf Sporen aus der Luft zurückführen.
Dann aber tat Reich etwas, was ein Seelenarzt zu unterlassen hat. Er faßte seine Patienten an. Schon in Wien hatte er sich auf die stummen Signale konzentriert, auf Gesichtsausdruck, Atmung, Körperhaltung und Verspannungen. "Muskelpanzer" nannte er diese Zeichen einer seelischen Verkrampfung. Nun brachte er Patienten durch Atem- und Drucktechniken dazu, wie Schloßhunde zu heulen. In dieser Zeit ging auch der britische Pädagoge Alexander S. Neill nach Norwegen zu Reich in die Therapie. Enge Freundschaft wuchs.
Pulsierende Bläschen, verkabelte Nackte, Wollust in derpsychiatrischen Behandlung, als Elektroschocks noch das Mittel der Wahl waren, so etwas mußte Schlagzeilen machen. Norwegische Wissenschaftler forderten seine Ausweisung.
Reich ging nach Amerika. Die Verbindung von Psychischem und Somatischem führte ihn zur Krebsforschung. Warum sollte seelisches Leiden nicht auch Karzinome wachsen lassen? Reich isolierte Tumorzellen, experimentierte mit Mäusen, entwickelte einen Krebstest und spürte nach den Störungen in der Funkverbindung zwischen Körper und Seele. Wohlwollend sortiert der Biograph Reichs Erkenntnisse in heutiges Wissen ein. Reich beobachtet einen Kampf zwischen Zellen im Organismus, die er PA-Bione und T-Bazillen nennt und erklärt die Entstehung von Tumoren lange vor Einzug der psychoimmunulogischen Forschung in die Krebsmedizin durch eine Unterlegenheit der Abwehrzellen. So ist er dem heutigen Verständnis des Immunsystems näher als seine Zeitgenossen und doch weit davon entfernt. Reich meint vor allem unterschiedliche Energiefelder um kranke und gesunde Zellen zu erkennen. Einiges von dem, was Sharaf beschreibt, erscheint erstaunlich, vieles abwegig, alles entzieht sich durch Reichs eigentümliche Terminologie der einfachen Prüfung. Bemerkenswert ist jedoch die Disziplin, mir der Reich über die Jahrzehnte beobachtete und forschte. Sharaf ist fasziniert von diesem Wissenshunger. Mit dem gleichen Respekt, mit dem er in Reichs Werk einführt, stellt er auch den verschmähten Reich vor, der in bis heute verschlossenen Archiven ruht, und überläßt dem Leser selbst die Urteilsfindung. So ist diese Biographie nicht nur das Ausführlichste, sondern auch das Leidenschaftlichste und Spannendste, was man über Reich finden kann.
Reich selbst fühlte sich bestärkt durch seine Erfahrung in der psychoanalytischen Arbeit. Ging die Auflösung charakterlicher Verspannungen nicht einher mit Energieströmungen durch die Kehle abwärts und wieder aufwärts durch den ganzen Körper? Auch Alexander Lowen, der spätere Begründer der Bioenergetik, berichtet aus seiner Lehrzeit bei Reich von diesen Orgasmusreflexen während der Therapie.
Für Reich verbarg sich auch dahinter eine alles durchflutende Energie, die er später Orgon nannte, eine Wortschöpfung, in der sich Organismus und Orgasmus vereinten. Reichs Wirken ist bald nur noch orgonotisch, sein Anwesen in Maine, Laboratorium, Ambulatorium und Observatorium zugleich, heißt Orgonon. Und im Zentrum aller Forschung steht der Orgonakkumulator. Eine Zufallsentdeckung. Reich hatte in dunklen Kellern, in denen er "Bione" aus Meeressand aufbewahrte, einen bläulichen Schimmer an den Wänden entdeckt. Um herauszufinden, ob es sich um eine Täuschung handelte, baute er einen metallausgekleideten Kasten. Und siehe da, auch ohne seine Bione sah er darin dieselben visuellen Phänomene.
Reich wußte selbst, daß solche Wahrnehmungen wenig Überzeugungskraft hatten, zumal bei so primitivem Gerät. Er beobachtete weiter, wie einst Goethe, einfach mit offenen Augen. Er entdeckte im Fernglas Lichtpunkte am dunklen Himmel, dort, wo keine Sterne waren. Er zweifelte lange, experimentierte, und dann glaubte er, daß er diese universelle Energie in dem Kasten aufgefangen hatte, wie das Mädchen aus dem Märchen die Sternentaler in ihrem letzten Hemd. Er maß Temperaturunterschiede und Ladungen und er fühlte ein Kribbeln in der Kiste.
Reich versuchte Albert Einstein für seinen Akkumulator zu gewinnen. Dessen Experimente mit dem Kasten blieben halbherzig. Seine Assistenten fanden irdische Erklärungen.
Der Leser aber ist verblüfft, wie viele Zeitzeugen diese Wirkung gespürt haben wollen, und bekommt Lust, einmal selbst den Finger hineinzuhalten. In den Kapiteln über Freunde, Assistenten, Geliebte und Kinder im Hause des eifersüchtigen Tyrannen verschweigt Sharaf aber auch nicht, daß selbst Mitarbeiter und gute Freunde wie Alexander S. Neill, der bis zuletzt in engem Briefkontakt mit Reich stand, von Reichs physikalischen Entdeckungen nicht immer überzeugt waren. Denn so wie die ansehnlichen Honorare der Patienten aus ein paar Hütten ein ansehliches Forschungszentrum aus Naturstein entstehen ließen, so verschaffte ihm der Andrang junger Ärzte und Wissenschaftler, die bei ihm Ausbildung und Analyse suchten, auch bei seinen physikalischen Experimenten einen Stab aufopferungsbereiter Hilfskräfte.
1951 experimentierte Reich mit einem Milligramm Radium in seinem Akkumulator, um die lebenszerstörende Nuklearenergie, die aus dem Zerfall der Materie entsteht, mit seiner massefreien Orgonenergie zu neutralisieren. Doch der Geigerzähler ratterte los. Mitarbeitern wurde übel, sie bekamen Herzattacken und Kälteschauer. Der Biograph stellt sich selbst als Zeuge für diese merkwürdige Reaktion zur Verfügung und berichtet von Kopfschmerzen. Die Laboratorien wurden danach zeitweise geschlossen. Reich nannte die verheerende Wirkung DOR. Danach machte er radioaktive Strahlungen für atmosphärische und organische Schäden verantwortlich, stritt gegen chemische und elektromagnetische Emissionen. Er warnte vor Röntgenstrahlung, Radium auf Uhrzeigern und erklärte auch radioaktive Niedrigstrahlung für gesundheitsgefährdend. Er beobachtete danach DOR-Wolken, die den Organismus belasteten und später einmal Smog genannt werden sollten. Er versuchte, diese Wolken aufzulösen, indem er lange Rohre darauf richtete, die er mit Wasserbrunnen verband. Zur Zufriedenheit der Bauern in der Umgebung entwickelte er nach demselben Modell seine Regenmacheranlage: Röhren, die mit dem Wasser eines Stausees verbunden waren. Statistisch noch im Bereich des Zufalls, begann es, wo immer Reich später mit seinen Röhren auftauchte, bald zu regnen. Die Lokalpresse berichtete begeistert. Minutiös beschreibt Sharaf auch diese Versuche, nennt Einwände, läßt aber auch keinen Anhaltspunkt aus, der sie bestätigen könnte.
Sharaf bleibt ein glühender Verehrer, aber verschweigt auch nicht die pathologischen Züge Reichs, der selbst die Ähnlichkeit seiner orgonotischen Energie mit den Kräften und Strömen erkannte, die Schizophrene wahrnehmen. Er ließ sich davon nicht beirren. Ganz Mensch der fünfziger Jahre nahm Reich auch Berichte über UFOs ernst und konnte sich keine andere Antriebsenergie vorstellen als orgonotische. "In ein- und demselben Moment", erinnert sich Sharaf, "war er fähig zu tiefsten objektiven Gedanken und extrem paranoiden Ideen."
Eine Journalistin besuchte den großen, rotgesichtigen Wissenschaftler in Orgonon und rief in The New Republic die Aufsichtsbehörden auf, gegen den seltsamen Doktor vorzugehen, der eine unbefriedigende Sexualität für Neurosen und Krebs verantwortlich machte. Die Behörden witterten Pornographisches, und die Food and Drug Administration erklärte den Akkumulator zu einem von ihr zu kontrollierenden Heilmittel. Er wurde verboten, und Reichs Schriften, allesamt als Werbematerial für dieses Gerät eingestuft, auch. Die Kisten wurden zertrümmert, die Bücher verbrannt. Reich, hilflos gegen die "emotionelle Pest" und in psychotischen Schüben zerrissen zwischen Verfolgungs- und Größenwahn, vermutete eine stalinistische Verschwörung, nahm vorbeifliegende Flugzeuge als Zeichen der Ermutigung und glaubte in Eisenhower einen festen Verbündeten zu haben.
Nur wenige treue Jünger scharten sich in dieser Phase um Reich, und Sharafs Beschreibungen seiner letzten Tage erinnern an die Nacht im Garten Gethsemane: ein Verräter aus dem eigenen Team, die Hohepriester der Wissenschaft, die Wache, das tobende Volk. Wen wundert´s, daß sich bis heute immer neue Gemeinden um sein Evangelium bilden.
Der Gefängnispfarrer verwahrte nach Reichs Tod in der Zelle seine letzten Schriften: "Ich habe falsch gehandelt", schrieb Reich, "indem ich der Menschheit die Energie enthüllt habe, die das Universum erfüllt. Sie beherrscht alle Lebensprozesse und das Gesetzmäßige Verhalten der Gestirnsfunktionen. Sie bestimmt unsere Emotionen, unsere Orientierung. Ich habe falsch gehandelt, indem ich die Grundkraft der Natur erreichbar gemacht habe, die seit Jahrtausenden in vielen Sprachen Gott genannt wird."
Literatur: Myron Sharaf: Wilhelm Reich - der heilige Zorn des Lebendigen - die Biographie, Simon und Leutner Verlag, Berlin, 640 Seiten, 59,- DM